Was uns erwartet

Irgendwann werden wir alle Klimaflüchtlinge sein

Der Klimawandel hat bereits viele Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Immer größere Teile des Planeten drohen durch Nahrungsmittel- und Wassermangel, steigende Meere, Waldbrände, Rauch, Hitzewellen und extreme Wetterereignisse unbewohnbar zu werden. Für jeden von uns steigt das Risiko, selbst ein Klimaflüchtling zu werde.

Langsam aber sicher wird der Klimawandel für die meisten Europäer*innen spürbar. Wir haben noch nie dagewesene Hitzewellen erlebt und die Auswirkungen der Dürre auf unsere Wälder, Flüsse und Felder gesehen. Wir beobachten, wie Tier- und Pflanzenarten verschwinden und sich die Jahreszeiten auf seltsame Weise verändern. Während bei uns die Auswirkungen der Erderwärmung bisher noch moderat sind, sind sie für viele Menschen auf der Welt heute schon verheerend. Sie müssen ihre Heimat verlassen, weil sie den Folgen des Klimawandels nicht standhalten können1.

Seit dem Jahr 2000 sind Menschen in ärmeren Ländern mit einer siebenmal höheren Wahrscheinlichkeit durch Naturkatastrophen, viele davon klimabedingt, ums Leben gekommen als in wohlhabenden Ländern2. Allein im Jahr 2018 wurden rund 16 Millionen Menschen durch die globale Erwärmung und die damit verbundenen verschärften Extremwetterereignisse wie Stürme, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und Erdrutsche vertrieben3. Das sind nicht nur abstrakte Zahlen. Hinter jeder von ihnen verbirgt sich eine persönliche Geschichte von Verlust und Gefahr - verzweifelte Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen und alles riskieren, um Sicherheit zu finden. In Ostafrika zum Beispiel müssen sich fast 11 Millionen Menschen zwischen Migration und Hungersnot entscheiden4. Sie haben keine andere Wahl.

Laut einem aktuellen Bericht des UN-Menschenrechtsrates5 wird die Erwärmung um 1,5°C (die wir voraussichtlich in den nächsten zwanzig Jahren erreichen werden) rund 500 Millionen Menschen dem Risiko von Wassermangel aussetzen, 36 Millionen werden unter niedrigeren Ernteerträgen leiden und bis zu 4,5 Milliarden an Hitzewellen. Bis 2030 wird der Klimawandel rund 100 Millionen Menschen weltweit in Armut stürzen6. Bis 2050 könnten allein in Subsahara-Afrika, Südasien und Lateinamerika mindestens 140 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und zu Klimaflüchtlingen werden1:1. Und das ist erst der Anfang. Ohne sofortiges und entschiedenes Handeln werden wir wahrscheinlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine weltweite Erwärmung um 4°C erleben7.

Eine Erwärmung um 4°C hätte wahrhaft apokalyptische Folgen. Der Planet hätte keine Ähnlichkeit mehr mit allem, was Menschen je erlebt haben. Stellen Sie sich folgendes vor. Die Tropen sind unbewohnbar und Südeuropa ist zur Wüste geworden. Extreme Wetterereignisse wie Taifune, Hitzewellen und Dürren treffen den Globus regelmäßig. Und den Ozeanen geht es nicht besser. Sie enthalten riesige tote Zonen, und der Meeresspiegel ist um mehrere Meter gestiegen8. Die überwiegende Mehrheit der Menschheit ist gezwungen, in Kanada, Sibirien, Skandinavien, Alaska, Grönland und der Südspitze Südamerikas Zuflucht zu suchen - den letzten Orten, in denen Landwirtschaft noch möglich ist7:1.

Ohne radikale Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise wird unser Planet allmählich unbewohnbar werden. Die Ärmsten werden als erste betroffen sein, aber letztendlich laufen wir alle Gefahr, unsere Heimat zu verlieren und zu migrieren, um zu überleben. Wenn wir warten, bis wir alle Klimaflüchtlinge sind, wird es viel zu spät sein. Wir müssen jetzt handeln!

Quellenangaben

  1. Rigaud et al., 2018 Groundswell : Preparing for Internal Climate Migration World Bank Report. ↩︎ ↩︎

  2. 10 Oct 2018, Disasters: UN report shows climate change causing ‘dramatic rise’ in economic losses, UN news. ↩︎

  3. Maram, 2019, How climate change exacerbates the refugee crisis – and what can be done about it, World Economic Forum. ↩︎

  4. Oxfam, How climate change is helping fuel a massive hunger crisis in East Africa. ↩︎

  5. Alston 2019, Climate change and poverty — Report of the Special Rapporteur on extreme poverty and human rights — A/HRC/41/39, United Nations Human Rights Council (UNHCR) Special Report. ↩︎

  6. Hallegatte et al, 2016, Shock Waves : Managing the Impacts of Climate Change on Poverty, World Bank Report. ↩︎

  7. Gaia, 18 May 2019, The heat is on over the climate crisis. Only radical measures will work, The Guardian. ↩︎ ↩︎

  8. World Bank, 2012, Turn down the heat : why a 4°C warmer world must be avoided, A Report for the World Bank by the Potsdam Institute for Climate Impact Research and Climate Analytics, Washington DC, World Bank. ↩︎